XIIIYussuf Khans Heirat

XIIIYussuf Khans Heirat

Der Direktor des großen Hotels brach das Schweigen, das durch seinen und den Eintritt der anderen zwei Personen in den Festsaal entstanden war. Er wendete sich an Oberst Morrel und sagte mit einer entschuldigenden Betonung auf jedem Wort, das er sprach:

„Herr Oberst, Sie müssen mein Eindringen in Ihre Gesellschaft verzeihen. Sie können sich denken, daß es nicht ohne zwingende Gründe geschieht. Ich werde das, was vorgefallen ist, so kurz und deutlich erzählen, als ich kann.

Vor zwanzig Minuten wurde ich in das Bureau gerufen, mit dem Bedeuten, daß meine Anwesenheit unumgänglich notwendig sei. Ich eilte hinunter und fand diese Dame, in der ich Mrs. Langtrey erkannte, die einige Zeit im Hotel gewohnt hat, und diesen Herrn, der eine gewisse Aehnlichkeit mit Sr. Hoheit hat (der Direktor verbeugte sich in der Richtung von Yussuf Khan). Ich traute meinen Augen nicht, als ich Mrs. Langtrey sah, die, wie wir wissen, vor zwei Tagen ein kühnes Attentat auf die Juwelen Sr. Hoheit versucht hatte, über das einer der Gäste Sr. Hoheit die ausführlichsten Aufklärungen geben kann. (Der Direktor verbeugte sich leicht gegen Herrn van Schleeten, der ganz starr dasaß, die Augen auf Mrs. Langtrey geheftet).Bevor ich noch meine Bestürzung aussprechen konnte, sagte Mrs. Langtrey: ‚Ich weiß genau, was Sie sagen wollen. Es ist unnötig. Ich bin Mrs. Langtrey, die in Ihrem Hotel gewohnt hat; das ist der Maharadscha von Nasirabad, der vor fünf Tagen geraubt wurde.‘ ‚Wie können Sie es wagen, zu behaupten, daß dieser Mensch der Maharadscha ist,‘ rief ich aus, ‚ich weiß doch, daß der Maharadscha gerade jetzt ein Abschiedsfest in meinem Hotel gibt!‘ ‚Der Maharadscha,‘ erwiderte Mrs Langtrey, ‚ein sauberer Maharadscha! Der Mensch, der heute abend in Ihrem Hotel das Fest gibt, ist nicht mehr Maharadscha als Sie selbst oder der Portier hier. Ich verlange augenblicklich in den Festsaal hinaufgeführt zu werden.‘ Jetzt wurde mir die Sache zu bunt, und ich wollte die Dienerschaft rufen, um Mrs. Langtrey aus dem Hotel zu weisen, als sie mir zuvorkam und sagte: ‚Tun Sie nicht etwas, was Sie bereuen würden! Wir wollen nur ungerne mit Hilfe der Polizei eindringen, aber wenn es notwendig ist, werden wir es tun.‘ Nach dieser Aeußerung glaubte ich nichts anderes machen zu können, als die Gesellschaft hierher zu begleiten, wie sie es wünschte.“

Der Direktor verstummte. Der Oberst blickte wie ein Schlaftrunkener um sich, bald starrte er den Direktor, bald Allan an, bald die zwei Personen, die auf den Thron von Nasirabad Anspruch erhoben. Der zuletzt Erschienene, der Mann in Mrs. Langtreys Gesellschaft mit dem zerdrückten Frack, ergriff das Wort:

„Wie lange werde ich noch warten müssen, bis dieser Verbrecher, der mein Aussehen gestohlen hat, in Kettengelegt wird?“ sagte er. „Fünf Tage bin ich in seinen und seiner Bande Händen gewesen, und nun ich wiederkomme und finde, daß er meinen Namen, wenn auch nicht mein Hab und Gut, gestohlen hat, werde ich behandelt, als wäreicher. Oberst Morrel Sahib, wie lange werde ich noch warten müssen, daß der Verbrecher in Ketten gelegt wird?“

Der Oberst starrte von ihm zum Maharadscha am Tisch, ohne eine Silbe hervorbringen zu können. Er kannte den Maharadscha seit vielen Jahren; am Tische saß ein Yussuf Khan, an den er sich von tausend Gelegenheiten her erinnerte, in der Türe stand ein Mann mit eingefallenen Wangen und zerknitterter Kleidung, der wohl eine gewisse Aehnlichkeit mit dem anderen Yussuf Khan hatte, aber auch nicht mehr als das.

Aber dieses Zusammentreffen mit dem jungen Mann aus Schweden, der seine absurde Behauptung fast im selben Augenblicke hinausgeschleudert hatte, in dem sie in so eigentümlicher Weise von anderer Seite vorgebracht wurde! Er stand noch total konfus da, als das Schweigen gebrochen wurde: Der Maharadscha am Tische wollte sprechen, aber Allan Kragh fiel ihm höchst unartig ins Wort.

„Oberst Morrel,“ sagte er. „Ich stellte kürzlich zwei Fragen an Sie, die Sie, wie ich sah, wahnwitzig fanden. Gestatten Sie, daß ich sie noch einmal wiederhole?“

Der Oberst nickte starr, vermutlich ohne aufzufassen, was Allan sagte, so verblüfft starrte er noch immer die beiden Kronprätendenten an.

„Ich habe Sie gefragt,“ sagte Allan, „ob Se. Hoheit,der Maharadscha, Gelegenheit hatte in Nasirabad seine Zähne plombieren zu lassen? Wollen Sie mir diesmal ausdrücklich darauf antworten?“

Der Oberst wendete seinen starren Blick ihm zu.

„Zähne plombieren,“ schrie er. „Das ist wirklich nicht die rechte Zeit für Geschwätz und Dummheiten.“

„Es sind vielleicht nicht solche Dummheiten, wie Sie glauben,“ sagte Allan. „Ich ziehe aus Ihrer Antwort den Schluß, daß Se. Hoheit keine Gelegenheit hatte, seine Zähne in Nasirabad plombieren zu lassen. Und in London?“

„Jetzt hören Sie aber, junger Freund —“

„All right.Also auch nicht in London. Nun weiß ich aber, daß der Mann, der hier am Tische sitzt, einen Backenzahn hat, der mit einer Goldplombe überzogen ist. Kann er dies widerlegen, entfällt einer der Gründe für meine Behauptung, daß er nicht der Maharadscha von Nasirabad ist. Ich gebe ihm hiermit Gelegenheit, es sofort zu widerlegen.“

Yussuf Khan sprang mit blitzenden Augen vom Tische auf.

„Ich weiß nichts von der Gastfreundschaft der Sahibs,“ sagte er, „wenn sie die Gastgeber sind. Aber wenn jemand in meinem Lande zu mir, seinem Gastgeber, so spräche, wie dieser junge Mann zu mir spricht, ich würde ihn mit Hieben und Schlägen von meinen Dienern aus dem Hause jagen lassen. Bin ich ein Pferd, daß ich mir auf einen Wink in den Mund schauen lasse? Man treibe diese Menschen hinaus, die ich nicht kenne und die sich hier eingedrängt haben wie freche Bettler, und zugleich mit ihnen diesen jungenMann, der mich beleidigt hat, wie ich noch nie beleidigt wurde!“

Er betrachtete Allan und die ungebetenen Gäste mit blitzenden Augen. Der Oberst richtete sich auf und war im Begriff seinen Wunsch zu erfüllen, als Allan ihn mit einer Geste und einem leisen Lächeln aufhielt.

„Oberst Morrel,“ sagte er, „einen Augenblick! Ich will mich gerne in der Weise, wie Se. Hoheit es wünscht, hinausjagen lassen, aber unter einer Bedingung. Ich glaube, daß Mrs. Langtrey und ihr Begleiter sich mir anschließen werden, wenn sie diese Bedingung hören.“

Er wandte sich dem Maharadscha am Tisch zu:

„Benjamin Mirzl, du Sonne der Rechtgläubigen und aller Verbrecher König, habe die Gewogenheit, deiner schwarzen Leibwache selbst den Befehl meiner Verjagung zu geben! Ich weiß zufällig, daß sie nicht englisch spricht!“

Die Züge des Maharadscha nahmen, während Allan sprach, einen furchtbaren Ausdruck an. Er verließ seinen Platz und kam mit langsamen Schritten auf die Gruppe zu, die in der Nähe des Eingangs stand. Seine Augen waren durchbohrend auf Allan geheftet und funkelten wie die eines Königstigers. Er blieb vor Allan stehen und fixierte ihn einen Augenblick mit einem Ausdruck solchen Zornes, daß der Oberst eine Bewegung machte, um einzuschreiten; es sah aus, als wollte er Allan auf der Stelle niederschlagen. Im selben Augenblick geschah jedoch etwas ganz anderes. Der Maharadscha machte an ihnen allen vorbei einen Riesensprung, nicht unwürdig des königlichen Raubtieres, dem er glich;und bevor jemand sich noch gerührt hatte, lag der Saal in Stockfinsternis versunken; sie hörten die Eingangstüre zufliegen und das Einschnappen eines Riegels. Für einen Augenblick war alles ein wüstes Durcheinander; Rufe ertönten von Mrs. Bowlby, vom Obersten, von der schwarzen Leibwache, vom Direktor und den eben eingetroffenen ungebetenen Gästen. Dann kam ein Ausruf der Befriedigung von jemand, dem es gelungen war, den Kontakt zu finden, und der Saal lag wieder im Licht da. Ein Gewimmel von Armen und Beinen bearbeitete die Türe mit Schlägen und Stößen; verschiedene Ausrufe des Obersten, der mitten im Kampfgewühl war, deuteten an, daß nicht alle Schläge den Türspiegel trafen. Endlich flog die Türe auf, und eine wilde Jagd begann die Treppe hinunter in die große Halle. Zum Glück für den zukünftigen Ruf des Hotels war die Halle bis auf ein paar Bedienstete und den Portier ganz leer. Der Direktor schleuderte ihm mit Tigergebrüll eine Frage zu, und nach einem Augenblick des erstaunten Starrens kam die Antwort von dem würdigen Portier mit der Benediktinerfigur:

„Der falsche Maharadscha? Der Maharadscha ist vor einem Augenblick die Treppe hinuntergekommen und ... nun ja, er schien ein bißchen unsicher auf den Beinen. ‚Will b—bißchen an die f—frische Luft‘, hat er uns zugemurmelt, Sir, und uns ein wenig unsicher angesehen. Wir hörten Rufe oben aus dem Festsaal und dachten uns: Jetzt sind die Gäste in Stimmung gekommen, und —“

Im nächsten Augenblicke waren sie an dem würdigen Portier vorbei, wie ein Koppel Hunde, die dieFährte gefunden haben. Leider führte diese Fährte nicht weiter als bis zum Monmouth Square. Der patrouillierende Polizeikonstabler rapportierte, daß er vor zwei Minuten einem asiatischen Gentleman, der etwas bezecht zu sein schien, in ein Auto geholfen hatte, das dann zur Wohnung dieses Herrn, Grosvenor Hotel, fortgerollt war.

Der Oberst sah Allan an, während er sich den Schweiß von der Stirne wischte.

„Der verdammte Schurke,“ murmelte er. „Das drittemal! Und auf ein Haar wäre es ihm geglückt ... Hol’s der Teufel — ich kann nicht umhin, den Kerl zu bewundern.“

„Gehen wir wieder hinauf,“ sagte der Direktor. „Seine Hoheit ... Seine wirkliche Hoheit kann Entschuldigungen und Erklärungen verlangen.“

Er, der Oberst und Allan gingen die Treppe wieder hinauf; Herr van Schleeten hatte an der Jagd auf den falschen Maharadscha nicht teilgenommen. Die Leute auf dem Monmouth Square starrten die drei Herren an, von deren Gesichtern der Schweiß troff, trotzdem sie in Frack und weißer Krawatte waren. Im Festsaal angelangt, bot sich ihnen eine bunte Szene.

Links von dem Eingange stand die Familie Bowlby unter dem Präsidium von Mrs. Bowlby, die mit ausgebreiteten Röcken bereit war, ihr Haus zu verteidigen, wie die Henne ihre Küchlein. Sie führte eine eifrige, leise Konversation mit ihrem Mann und ihrer Tochter und schleuderte hie und da einen herausfordernden Blick auf Mrs. Langtrey. Mrs. Langtrey stand mitten im Saale mit stolzer Haltung und einem unergründlichenLächeln. Ihre Augen hingen an Yussuf Khan — dem nun anerkannt richtigen — und auf ein Kissen an der Festtafel gesunken, die Nasenfarbe von Chateau Lafitte in Haut Sauterne verwandelt, saß ein Herr mit dickem, gelbgrauem, jetzt schlaff hängendem Schnurrbart, dessen Augen nichts anderes sahen als Mrs. Langtrey — Herr van Schleeten.

Die schwarzen Diener und die Leibwache hatten sich in einem Kreis versammelt, wie eine Krähenkolonie über das Passierte schnatternd. Yussuf Khan — der richtige — stand, noch etwas schlapp, mit einem geleerten Weinglas in der Hand da und war der Gegenstand zärtlicher Worte und entschuldigender Bitten von seiten seines alten Lehrers.

„Beim Propheten, mein Sohn, ich schäme mich wie ein Dieb, der im Basar auf frischer Tat ertappt wurde! Ich, ich selbst, dein Lehrer, ließ mich zwei Tage von diesem frechsten unter den Betrügern täuschen. Sogar seine Sprache war die deine, nur poetischer, worin ich eine Frucht der Lehren sah, die ich dir beizubringen bemüht. Mein Hochmut darüber machte mich noch blinder gegen seinen wirklichen Charakter, wofür Allah mir gnädig sein möge. Wahrlich, beim Propheten! Ich schäme mich! Wäre nicht dieser junge Mann mit dem wunderbar scharfen Falkenblick gewesen, du wärest jetzt vertrieben, und er, der Betrüger wäre in wenigen Wochen, wenn wir unser Land wiedersehen, nach dem ich mich sehne, wie der Hirsch nach der Quelle, auf den Thron von Nasirabad erhoben worden. Ueberaus treffend sagt der göttliche Zeltmacher —“

Der Maharadscha unterbrach ihn, ohne die treffende Aeußerung des göttlichen Zeltmachers abzuwarten.

„Ohne Zweifel“, sagte er, indem er sich aufrichtete, „hat der junge Mann, der mir unbekannt ist, jetzt das Verdienst, daß der Betrüger entlarvt wurde, aber ich hatte jemanden in meiner Gesellschaft, der bereit war, ihn zu entlarven. Sie wollte nur ihren Zeitpunkt wählen.“

„Mein Sohn, ich bedauere, daß du mir den Schmerz bereitest, den Worten des göttlichen Zeltmachers nicht so gerne zu lauschen wie der elende Betrüger, Sohn Scheitans. Aber du sagtestsie? Meinst du die Frau, die in deiner Gesellschaft kam?“

„Wie du sagst. Sie, die in meiner Gesellschaft kam, die von diesem Betrüger und Menschenräuber zu meiner Gefängniswärterin ausersehen war, die sich meiner in meiner Gefangenschaft erbarmte, und von der ich gleich noch mehr mit dir und Oberst Morrel Sahib sprechen werde. Fünf Tage war sie meine Wächterin, nur anfangs von dem Verbrecherkönig abgelöst. Ihre Milde zugleich mit der Festigkeit ihres Willens war bewunderungswürdig, und die Zeit in meinem Gefängnis, wo sie über mich wachte, war mir süßer als alle Stunden, die ich in der Gesellschaft anderer Frauen verbracht habe. Sie war fest wie die Hand des Reiters, wenn sie den Zügel hält, und sanft wie sie es ist, wenn sie das Fohlen streichelt. Heute — doch später mehr davon. Du sagtest, daß wir schon in einigen Wochen unser Vaterland wiedersehen werden? War denn die Zeit für Eure Abreise schon bestimmt?“

„Sie war von Oberst Morrel Sahib für morgen bestimmt,der es gestern als eine Gnade von Sr. Exzellenz dem Minister erwirkte, daß wir diese Stadt mit unversehrter Ehre und Turbans verlassen dürfen. Von solchen Dingen wie die, die unsere Anwesenheit hier verursacht hat, hat diese Stadt noch nie gehört, und sowohl die Bevölkerung hier wie Oberst Morrel Sahib sind mit Recht über mich empört, der ich dir ein so elendes Vorbild gewesen. Ach, du kannst in Wahrheit auf deinen Lehrer anwenden, was der göttliche Omar von seinen Lehrern sagte:

Die hellsten Leuchten von den klügsten Köpfen,Die von den Sternen selbst die Weisheit schöpfen,Da liegen sie ...“

Die hellsten Leuchten von den klügsten Köpfen,Die von den Sternen selbst die Weisheit schöpfen,Da liegen sie ...“

Die hellsten Leuchten von den klügsten Köpfen,Die von den Sternen selbst die Weisheit schöpfen,Da liegen sie ...“

Die hellsten Leuchten von den klügsten Köpfen,

Die von den Sternen selbst die Weisheit schöpfen,

Da liegen sie ...“

„Da kommt Oberst Morrel Sahib,“ schnitt Yussuf Khan ab. „Das ist gut. Ich will sogleich mit ihm von dem sprechen, was mir am Herzen liegt.“

Er ging dem Obersten entgegen, der sich noch nach der Verbrecherjagd die Stirne wischte und hie und da mit einem gemurmelten energischen Ausdruck die Fußknöchel rieb, die im Kampf gegen die Eingangstüre mitgewirkt hatten. Er starrte Yussuf Khan mit Blicken an, in denen allzu geringe Freude über die Rückkehr des rechten Thronprätendenten zu lesen war.

„Eine saubere Geschichte,“ rief er, als trüge Yussuf Khan die Schuld an Herrn Mirzls Missetaten. „Habe ich gesagt eine verdammt saubere Geschichte? Was sage ich, ein ganzer Knäuel von verdammt sauberen Geschichten! Hätte Gott uns nicht diesen jungen Mann gesandt“ — er wies auf Allan — „so weiß der Teufel, wie es jetzt aussehen würde.“

„Wer ist dieser junge Mann?“ sagte Yussuf Khan.

„Er hat einen Namen, an dem man sich die Zunge zerbricht. Aber das tut nichts. Das ist das drittemal, daß es ihm gelungen ist, den Erzgauner zu überlisten, der sonst gewiß den Satan selbst beschwindeln kann, wenn er es darauf anlegt. Haben sie viele solche in Deutschland, wo er herkommt, dann begreife ich, daß wir Zölle gegen alles brauchen, was aus diesem Lande kommt. Dieser junge Mann — ja hören Sie nur!“

Er gab dem Maharadscha eine kurze, aber bunte und pittoreske Beschreibung Von Herrn Mirzls und Allans drei Duellen und unterließ es nicht, moralische Reflexionen über Yussuf Khans eigenen Anteil an den Malheurs einzuflechten, die ihn (Oberst Morrel) seit der Ankunft in Europa heimgesucht hatten, einem Weltteil, der vor Scham errötete, daß sich solche Dinge vor seinen Augen abspielten. Yussuf Khan hörte geduldig zu, bis er zu Ende war, und sagte dann:

„Mein Lehrer Ali hat mir gesagt, daß es Eure Absicht war, Oberst Morrel Sahib, morgen nach Nasirabad mit diesem Betrüger als König an meiner Statt abzureisen. Ist das richtig?“

Der Oberst knurrte ein halb zorniges, halb verlegenes „Ja“.

„Es ist gut. Dasselbe ist nun meine eigene Absicht. Was diesen jungen Mann betrifft, werde ich mir später überlegen, was geschehen soll, um ihm meine Dankbarkeit zu bezeigen. Vorher kommt etwas anderes. Ich bin über das Meer in dieses Land gereist, um mir eine passende Gemahlin aus dem Volke der Sahibs zu erringen.“

„Eine Prinzessin,“ knurrte der Oberst. „Diesen Plan müssen wir schon auf den Nagel hängen, nach allem, was Ew. Hoheit hier in London angestellt haben. Weiße Prinzessinnen sind ein bißchen heikel.“

„Ihr sprecht töricht, Oberst Morrel Sahib, wir müssen diesen Plan nicht auf den Nagel hängen, wie Ihr sagt. Vielmehr wird schon an diesem Abend meine Vermählung gefeiert werden.“

„Haha! Das ist gut! Wo ist denn die Prinzessin?“

„Hier,“ sagte Yussuf Khan gelassen und wendete sich Mrs. Langtrey zu.

So allmählich hatte sich ein Kreis aus allen Personen, die im Saal waren, um ihn gebildet. Bei seinen letzten Worten ertönte ein schriller Schrei von dem Punkt des Kreises, wo Mrs. Bowlby stand, noch immer ihre Familie hinter ihren ausgebreiteten grünen Brokatflügeln schützend:

„Haha! Die wird Königin!“

Yussuf Khan sah Mrs. Bowlby an.

„Wer ist diese Frau, die törichte Worte durch die Nase entsendet?“ fragte er.

„Ew. Hoheit müssen das nicht beachten,“ sagte Mr. Bowlby, „wodurch sollte sie sie sonst entsenden?“

„John! Du auch! Du verläßt deine Gattin und beleidigst sie öffentlich!“

„Geliebte Susan. Bist du auf deine alten Tage eitel geworden? Du weißt, daß deine Nase Format zehn ist. Außerdem bist du Gast Sr. Hoheit, und es schickt sich nicht für dich, ihn oder seine anderen Gäste zu beleidigen.“

Mrs. Bowlby schien nahe daran, in ihrem grünenBrokat zu explodieren, aber es gelang ihr, ihre Gefühle in ihren Busen hinabzupressen, und sie schwieg, nachdem sie dem Kreis im übrigen eine tiefe ironische Verneigung gemacht hatte. Yussuf Khan nahm Mrs. Langtrey bei der Hand und wandte sich seinem alten Lehrer zu.

„Mein Lehrer Ali“, sagte er, „ist nächst mir selbst Scheik-ul-Islam in Nasirabad. Als solcher ist er bei fürstlichen Vermählungen derjenige, der das Ehepaar verbindet, und auch der berufenste, meiner Gemahlin später Unterricht in der Lehre des Propheten zu erteilen.“

Bei diesen Worten bahnte sich trotz alledem ein heiserer Schrei den Weg aus Mrs. Bowlbys Brust.

„Die wird Mohammedanerin! Und die hundertfünfzig anderen?“

Yussuf Khan wandte sich ihr wieder mit erstauntem Ernst zu.

„Wie töricht spricht doch diese Frau, jedesmal wenn sie sich äußert! Ein Bekenner der Lehre des Propheten hat nur vier Frauen. Ich persönlich habe nur zwei.“

„Zwei! Wie kann man nur ... die ganze Welt weiß doch ...“

„Die übrigen sind nur Nebenfrauen,“ sagte Yussuf Khan. „Und nun werden alle aus dem Palast entfernt und an einen passenden Aufenthaltsort gebracht werden. Von meiner Rückkehr nach Nasirabad an habe ich gleich den Regenten der Sahib nur eine Gemahlin.“

Er machte einen ernsten Salaam vor Mrs. Langtrey, die ihm mit Blicken gefolgt war, aus denen zärtliche Heiterkeit sprach, und wandte sich an den Direktor.

„Lasset alles für das Vermählungsfest in meinen Gemächern anordnen,“ sagte er. „Ein Fest von passender Art soll dort nach der Vermählung gegeben werden. In diesem Saal, der von dem Betrüger verunreinigt wurde, will ich nicht länger weilen.“

***

Trotz alldem besiegte die Neugierde Mrs. Bowlbys übrige Gefühle, und als gegen elf Uhr abends das Vermählungsfest in Yussuf Khans Appartements gefeiert wurde, war sie auch mit dabei, vom Maharadscha eingeladen, der alles, was sie sagte, mit demselben erstaunten Interesse anhörte wie einen Papagei, der sprechen gelernt hat. Das Fest spielte sich diesmal nach europäischer Weise ab, und die Juwelen Nasirabads waren in der Mahagonikassette wohl verwahrt und wurden von der schwarzen Leibwache gegen alle neuen Versuche von seiten Herrn Mirzls geschützt. Der einzige orientalische Einschlag war der alte Ali, der in morgenländischem Kostüm ein hochgestimmtes Poem zu Ehren seines Schülers deklamierte, das nur etwas darunter litt, daß manPommery naturein ausgedehntem Maße serviert hatte. Mrs. Langtrey feierte ihren letzten Abend in europäischer Tracht mit einer Modestie, die sogar Mrs. Bowlby halb und halb versöhnte. Doch konnte diese Dame es nicht lassen, bei der ersten Gelegenheit auf den Maharadscha Beschlag zu legen, um zu fragen:

„Aber wissen Hoheit nicht, daß Ew. Hoheit ... hm ... Gemahlin mindestens einmal verheiratet war?“

„Was bedeutet das für mich?“ sagte Yussuf Khan, „das war ich doch selbst auch.“

Mrs. Bowlby konnte diese Tatsache schwer in Abrede stellen.

„Und daß sie die Freundin des Mannes war, der drei Attentate auf die Juwelen Ew. Hoheit und auf Ew. Hoheit selbst unternommen hat?“ beharrte Mrs. Bowlby, die ihren Ohren nicht trauen wollte. „Und daß sie selbst — —“

„Ich weiß alles. Was macht mir das? Sie ist mein Auge und mein Ohr. Was ich nicht schauen konnte, werde ich durch sie schauen, und was ich nie gehört, wird sie mir erzählen. Nie habe ich süßere Tage durchlebt, als die zwei letzten, wo sie meine Wächterin war und wo sie während unserer Gespräche allmählich etwas anderes wurde und mich wählte anstatt des Mannes, der sie erstrebt hat und an dem sie durch seine Kühnheit Gefallen gefunden. Vielleicht war er durch seinen Mut ihrer würdiger als ich, der ich auch sonst ihrer unwürdig bin. In der Gesellschaft keiner Frau habe ich ein Glück gekostet, wie damals, als sie mir Trank und Speise reichte, und schließlich meine Bande löste. Ihr Wille ist fest wie eine Stahlklinge und weich wie der Brustflaum einer Taube. Vor allen anderen ist sie meineMaharaneeh.“

Das Fest hatte etwa eine Stunde gedauert, als der Direktor sich mit einer Verbeugung auf der Schwelle des Speisesaales zeigte, mit einem Silbertablett, auf dem zwei Telegramme lagen. Der Maharadscha kannte die europäischen Gebräuche bei Hochzeiten nicht genügend, um die Bedeutung dieser Gegenstände zu verstehen,aber Oberst Morrel beeilte sich, die Telegramme in Empfang zu nehmen. Er riß das eine auf, starrte es einen Augenblick an und wurde vor Zorn ganz rot. Er wollte es wegwerfen, aber Yussuf Khan kam ihm zuvor.

„Was steht auf diesem Papier geschrieben?“ sagte er. „Ich will es wissen. Handelt es von mir?“

Der Oberst räusperte sich.

„Es ist ein Telegramm von dem Schwindler,“ murmelte er.

„Gut, lasset hören! Wenn dieser Mann auch ein Betrüger ist, so hat er doch Mut. Lasset hören, Oberst Morrel Sahib!“

Der Oberst las:

„An das königliche Brautpaar, Grand Hotel Hermitage.Unwürdige Glückwünsche des gestürzten Prätendenten. Möge der legitime Stamm sich allzeit fortpflanzen! Saget Ihrer Majestät, ich begreife, daß es einer Frau interessanter erscheint, über fünfzehn Millionen Mann zu regieren, als über einen einzigen, der allerdings vielleicht die fünfzehn Millionen aufwiegt, und ruhmreicher, die Regentenreihe Nasirabads fortzupflanzen als den Stamm de Citrac!Benjamin Mirzl, Ex-Maharadscha,Ex-Baron de Citrac.“

„An das königliche Brautpaar, Grand Hotel Hermitage.

Unwürdige Glückwünsche des gestürzten Prätendenten. Möge der legitime Stamm sich allzeit fortpflanzen! Saget Ihrer Majestät, ich begreife, daß es einer Frau interessanter erscheint, über fünfzehn Millionen Mann zu regieren, als über einen einzigen, der allerdings vielleicht die fünfzehn Millionen aufwiegt, und ruhmreicher, die Regentenreihe Nasirabads fortzupflanzen als den Stamm de Citrac!

Benjamin Mirzl, Ex-Maharadscha,Ex-Baron de Citrac.“

„Und das andere?“ fragte Yussuf Khan, der den Oberst mit unerschütterlichem Ernst angehört hatte.

„Das ist an den jungen Mann mit dem unaussprechlichen Namen.“

„An mich!“ rief Allan. „Ich konnte mir denken, daß ich nicht leer ausgehen würde. Lesen Sie es nur, Oberst Morrel!“

„Wie Sie wollen,“ sagte der Oberst und öffnete das Telegramm:

„Mr. Allan Kragh, Suite des Maharadscha von Nasirabad, Grand Hotel Hermitage!Sie haben meine Pläne dreimal durchkreuzt, aber ich bin Ihnen nicht böse. Ich bin ja selbst in die Falle gegangen. Wie Herr van Schleeten ließ ich mich von einer Frau betören. Ich strebte drei Jahre nach ihrer Hand, und sie verschmähte mich, um über fünfzehn Millionen Neger zu herrschen. Aber einen Rat: Lassen Sie uns kein viertesmal zusammentreffen!Mirzl.“

„Mr. Allan Kragh, Suite des Maharadscha von Nasirabad, Grand Hotel Hermitage!

Sie haben meine Pläne dreimal durchkreuzt, aber ich bin Ihnen nicht böse. Ich bin ja selbst in die Falle gegangen. Wie Herr van Schleeten ließ ich mich von einer Frau betören. Ich strebte drei Jahre nach ihrer Hand, und sie verschmähte mich, um über fünfzehn Millionen Neger zu herrschen. Aber einen Rat: Lassen Sie uns kein viertesmal zusammentreffen!

Mirzl.“

***

Die Privatauseinandersetzung zwischen Allan und der ehemaligen Mrs. Langtrey gestaltete sich kurz und bestand nur in einem Lächeln und einem Händedruck.


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